Donnerstag, 27. März 2014

Es wird expandiert.



Seit gestern gibt es alle kommenden Artikel auch auf
www.mucbook.de
zu lesen!
Als Vorgeschmack wurde erstmal der alte "Wiener Wald" wieder ausgepackt.
Aber natürlich wird auch hier weiterhin gepostet!

Danke für fast 1000 Leser seit Beginn des Blogs!

Donnerstag, 20. März 2014

Lesung: John Niven reads 'Straight White Male'

John Niven, Thorsten "Nagel" Nagelschmidt
Nur eine kurze Review, da es heute nicht um Theater geht. Aber zumindest war es im Theater, natürlich im *Trommelwirbel* VOLKSTHEATER, öfter mal was Neues.
Dafür auf der kleinen Bühne, der schottische Hardcore-Autor liest aus seinem neuesten Werk Straight White Male, unterstützt von Nagel, einem deutschen Ex-Punk, selbst Autor und Sidekick, der deutsch vorliest. Ein gutes Duo.
  Niven, der seinen ersten großen Erfolg mit Kill Your Friends feierte, trinkt viel Wein und hat einen dermaßen ausgeprägten schottischen Akzent, dass der Einstieg ein bisschen schwerfällt. Aber er hat einen großartigen Humor und lässt die knapp zwei Stunden dauernde Lesung wie einen gemütlichen Plausch wirken.
Seine Bücher sind uneingeschränkt zu empfehlen, wenn man keinen empfindlichen Magen und keine Probleme mit seitenweisen Drogen- und Sexexzessen hat. Alle sind bei HeyneHardCore erschienen, für den Einstieg bietet sich vermutlich Gott Bewahre an, eine feinsinnige und extreme Persiflage auf Gott, Religion und irgendwie alles, was heilig sein kann. Vielleicht nicht die beste Bettlektüre für gläubige Christen, aber ein saukomischer Spaß.
Niven lesen. JETZT!


  Für einen Einblick in John Nivens neues Werk und seinen brillianten Akzent:

Youtube: Interview über Straight White Male
BR-Beitrag über Niven und Straight White Male

Montag, 10. März 2014

Premierenkritik: "Das Wintermärchen" im Volkstheater


Zwischen Wahn und Wirklichkeit


Magdalena Wiedenhofer, Max Wagner | © Arno Declair / Volkstheater München

"Wenn Sie's vor der Vorstellung mal im Internet gesucht haben, steht da: 'Das Wintermärchen von Shakespeare ist eine Komödie'. Und jetzt haben Sie den ersten Teil gesehen und fragen sich so: Und wo ist da die Komödie?"
Lenja Schultze stöckelt mit Bobperücke und Adidas-Trainingsanzug auf der Bühne herum. Sie stellt sich als "die Zeit" vor und bringt dem Publikum den plötzlichen Zeitsprung von 16 Jahren näher. Gerade hat der zweite Teil angefangen, und das was sie da sagt, stimmt. Lustig war das Ganze bisher nicht so wirklich, eigentlich höchst tragisch.


Zur Story: Leontes, der König von Sizilien (Max Wagner) und seine Frau Hermione (Magdalena Wiedenhofer) werden demnächst zum zweiten Mal Eltern. Zur Zeit ist auch ihr gemeinsamer Freund Polixenes, der König von Böhmen (Pascal Fligg), zu Besuch. Leontes bezichtigt in eifersüchtigem Wahn seine Frau, eine Affäre mit Polixenes zu haben und behauptet, sowohl der Sohn Mamilius, als auch das ungeborene Kind seien nicht seine Nachkommen. Obwohl niemand am Hof an Hermiones Schuld glaubt, lässt er sie wegsperren und befiehlt nach ihrer Niederkunft, das Neugeborene auszusetzen.
Mamilius stirbt vor Kummer und Hermione bricht zusammen. Sie wird für tot erklärt und Leontes bereut gramgebeugt seine Entscheidungen.
Womit wir beim aktuellen Zeitpunkt wären: 16 Jahre später. Das damals in der Wildnis ausgesetzte Kind wurde von Schäfern aufgezogen und ist zu einer hübschen, wenn auch etwas schlichten jungen Frau herangewachsen, Perdita ist ihr Name. Sie und der Sohn von Polixenes sind verliebt, was sie aber aufgrund des Standesunterschiedes nicht öffentlich machen können. Auf einem Schafschurfest wird das Paar entlarvt, und gleichzeitig brechen die Schäfer ihr Schweigen darüber, dass sie vor 16 Jahren ein Findelkind in königlichen Kleidern aufnahmen.
Ja, Shakespeare war noch nie in einem Satz zu erklären. Aber Das Wintermärchen ist im Original tatsächlich eine romantische Komödie, liegen sich doch am Ende alle happyendmäßig in den Armen.

Constanze Wächter, Oliver Möller, Jakob Geßner, Sohel Altan G. | © Arno Declair / Volkstheater München

Nicht bei Christian Stückl!
So ernsthaft und tragisch der erste Teil der insgesamt fast drei Stunden andauernden Inszenierung ist, umso trashiger wird der zweite. Irgendwie scheint es, als habe sich Herr Stückl gegen Probenende auf die Schenkel gehauen, kräftig an seiner Zigarette gezogen und laut gerufen: "Ja Herrschaftszeiten, des werd ja goar ned lustig!" Und daraufhin den kompletten zweiten Teil so schmerzhaft verzerrt, dass man sich in einem komplett anderen Stück wägt.


Man muss ihm zugutehalten, dass sich das Werk schon im Originaltext sehr schnelllebig und vor allem sehr abrupt zeigt. Zum Beispiel ist die Wandlung vom hasserfüllten zum bereuenden Leontes bereits bei Shakespeare unglaubwürdig schnell. Aber wer bin ich, den großen Meister zu kritisieren...wie auch immer, im zweiten Teil geht im wahrsten Sinne des Wortes die Party ab. Da fliegen die Kostüme, das Bier schäumt und es wird zu versauten Refrains getanzt. Oliver Möller als ein Gauner namens Autolycus darf sich einen aus einer Discokugel gebauten Helm aufsetzen und oft seinen besorgniserregend dürren Körper zeigen. Und Perdita (Constanze Wächter) hat, ganz wie ihre Ziehfamilie (Jean-Luc Bubert und Sohel Altan G.) einen unerträglichen Berliner Dialekt, während ihr Liebster Florizel den Prinzen raushängen lässt, der durch Jakob Geßners übertriebenes Schauspiel extrem - Achtung, politisch inkorrekt - tuntig wirkt. Was ziemlich seltsam ist, so wie er doch Perdita liebt.


König Leontes, die vergangenen 16 Jahre werden durch einen Vollbart und lange Haare gekennzeichnet (Max Wagner steht auch wirklich alles...), meditiert vor dem kerzenbeleuchteten Sarg seiner Frau, trägt einen Judoanzug und führt Kung-Fu-Bewegungen aus, wenn er sich aufregt. Und das tut er oft, wird er doch noch immer gebeutelt von der Erinnerung an sein verlorenes Kind. Höhepunkt und gleichzeitig Schlussakt ist die letzte Szene: Hermione als lebensechtes Standbild erwacht wieder zum Leben und tötet mit Roboterstimme und -gestik ihren Ehemann. Der Hofstaat eilt in die Szene, entdeckt den toten König, man wendet sich mit entsetzten Gesichtern zum Publikum, schreit: "LEONTES!" und das Licht geht aus.

Barbara Romaner, Lenja Schultze, Magdalena Wiedenhofer, Pascal Riedel, Max Wagner | © Arno Declair / Volkstheater München

Ein kraftvolles Ende, fürwahr. Das Publikum ist auch ganz hingerissen. Aber trotzdem wirkte der gesamte zweite Teil so, als käme er geradewegs aus der Feder eines jungen Regisseurs, der verzweifelt nach Lachern strebt. Von Sebastian Kreyer hätte man das vielleicht erwartet, aber nicht von Christian Stückl. Die ganze Inszenierung ist so untypisch für ihn, dass man gar nicht weiß, was man davon halten soll. Letztendlich unterhält Das Wintermärchen gut. Und man darf hoffen, dass die wunderschöne Magdalena Wiedenhofer noch mehr tragende Rollen am Volkstheater ergattert. Ihre Performance war so faszinierend, dass sie mit Leichtigkeit alle anderen Darsteller überstrahlte. Mehr davon, bitte! Ansonsten kann man für Stückls neuestes Bühnenwerk durchaus eine Anschauempfehlung geben, ob man den Trash am Ende mag oder nicht, bleibt jedem selbst überlassen. Dem Premierenpublikum hat's doch gefallen.


PS: Gebt Oliver Möller ein Sandwich. Bitte!
PPS: Ich erkläre die Premierenpartys vom Volkstheater zur absoluten Entertainment-Garantie. Danke!
 

Link zu Das Wintermärchen im Volkstheater 



Premiere am 09.03.2014
Regie: Christian Stückl
Bühne und Kostüme: Stefan Hageneier
Musik: Tom Wörndl

Mittwoch, 5. März 2014

Großer Stoff auf Kleiner Bühne - "Der große Gatsby" im Volkstheater

Constanze Wächter, Max Wagner | © Arno Declair / Volkstheater München

 

Geld oder Liebe


Knapp 70 Zuschauer fasst die Kleine Bühne im Volkstheater, und nach vier langen Monaten habe ich die allerletzte Restkarte für Gatsby erwischt. Monatelang alles ausverkauft, rein kommerziell gesehen könnte das Volks-
theater mit der zweiten
Inszenierung von
Abdullah Kenan Karaca
einen Haufen Geld machen, wenn man sie nur auf die Große Bühne verlegen würde. Aber dann ginge die Intimität verloren, durch die das Stück besticht. Näher an den Schauspielern geht kaum, in der zweiten Reihe bin ich maximal anderthalb Meter von ihnen entfernt. Wieder einmal dabei: Max Wagner, so schnell wird ihn das Volkstheater nicht mehr los. Sehr mondän sieht er heute aus, in grauem Anzug, zurück-gekämmten Haaren, blauem Hemd. Den Lebemann Jay Gatsby nimmt man ihm sofort ab, sein Spiel ist einnehmend, souverän, charmant, ganz, wie F. Scott Fitzgerald es sich gewünscht hätte.
  Gatsby ist das Rätsel. Sein Reichtum ist immens, seine Partys legendär, seine Verschwendungssucht unermesslich. Woher das Geld genau kommt, weiß niemand. Einst liebte er Daisy (Constanze Wächter), die ihm versprach, zu warten, als er in den Ersten Weltkrieg zog, dann aber den ebenso vermögenden, wie auch untreuen Tom (Pascal Fligg) heiratete. Gatsbys Freunde Nick (Jakob Geßner) und Jordan (Lenja Schultze) arrangieren ein Wiedersehen, woraufhin er und Daisy ihre Affäre wiederaufnehmen, mit fatalem Ende.

Von den roaring twenties, in denen Fitzgeralds Roman spielt, sieht man auf der Bühne nicht viel. Yvonne Kalles hat diese bewusst karg dekoriert; klar, Gatsbys Story wurde auch erst von Baz Luhrmann mit Leonardo DiCaprio ins Kino gebracht, extrem prunkvoll natürlich. Da hätte eine exakte Nachbildung des Luxus und der wilden Partys im kleinen Volkstheater doch eher peinlich gewirkt. Stattdessen wird auf Textreduzierung und Dialogstärke gesetzt. Apropos Dialog:
Da nehmen sich die Darsteller einige witzige Freiheiten heraus; als Nick ein Bild in Gatsbys Villa bewundert, bemerkt dieser süffisant  "Das hab‘ ich von meinem Freund Cornelius Gurlitt aus Schwabing". Kommentare wie dieser werden immer wieder eingestreut, das unterstützt die locker-leichte Dynamik der Karaca’schen Bühnenfassung  sehr gut, ohne alles ins Lächerliche zu ziehen. Nicht mal 90 Minuten dauert das Ganze, trotzdem gelingt es dem Regisseur und seiner Dramaturgin Katja Friedrich in dieser kurzen Zeit ein berührendes, einfühlsames Bild einer tragischen Liebe zu zeichnen, die auch nach der Vorstellung nachdenklich stimmt. Die Fokussierung auf Emotion statt auf Dekadenz geht eindeutig mehr unter die Haut als alle bisherigen Hollywood-Produktionen.


Vor allem aber ist das Ensemble hervorzuheben, das mit „Der große Gatsby“ beweist, wie gut es sein kann. Nichts zu spüren von den sonst auftretenden Textunsicherheiten, stattdessen verzweifelte Leidenschaft und bitterböse Doppelzüngigkeit. Pascal Fligg – nun,  man kann dem Volkstheater zu einem Schauspieler wie ihm nur herzlichst gratulieren – gibt einen charmanten und  gleichzeitig widerwärtigen Tom, der nichts im Leben ernst nimmt, ganz besonders nicht seine Frau. Constanze Wächter, die seit der aktuellen Spielzeit neu dabei ist, brilliert hier in ihrer ersten großen Rolle. Ihre Daisy ist zerbrechlich und stark, kaputt und heil zugleich, eine Frau, die eigentlich alles hat, außer eben Liebe. Und für Jakob Geßner gibt es leider nur in der englischen Sprache einen passenden Begriff: adorkable, also ein Neologismus aus adorable und dork. Man möge sich doch bitte selbst von seiner Schauspielkunst überzeugen, Beschreibungen wären hier nicht ausreichend.

Am Ende bleiben nur kaputte Luftballons und gebrochene Herzen. Und die Erkenntnis, dass man mit Geld keine Liebe kaufen kann. Unbedingt anschauen!


Link zu der große Gatsby im Volkstheater



Premiere am 15.10.2013
Regie: Abdullah Kenan Karaca
Bühne und Kostüme: Yvonne Kalles